Zehn Jahre Mitgliedschaft Rumäniens in der EU Jan16

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Zehn Jahre Mitgliedschaft Rumäniens in der EU

 

Rumänien ist am 1. Januar 2007 Mitglied in die EU geworden, nachdem lange Zeit Beitrittsverhandlungen geführt und Vorbereitungen getroffen wurden. Sehnsüchtig hatten die Rumänen auf Europa geschaut und sich dann auch sehr auf den Beitritt gefreut. Die BZ-Redakteurin [tefana Ciortea-Neam]iu hat eine Umfrage für die Bedeutung dieser zehn Jahre durchgeführt.

Ovidiu Gant, DFDR-Abgeordneter im Rumänischen Parlament:

„Der EU-Beitritt war das Ende eines langen Weges, eines Weges voller Transformationen in unserer Gesellschaft, die in der Beitrittsphase eingeleitet wurden: Veränderungen gesetzlicher Art, es sind Kapitel verhandelt, Institutionen neu geschaffen worden. Es hat sich vieles verändert. Wir haben eine funktionierende Marktwirtschaft, wir haben eine demokratische Gesellschaft und dementsprechend sieht das heutige Rumänien völlig anders aus als das kommunistische. Es sind diese Schritte gemacht worden, weil es die gesamte Gesellschaft wünschte, zu den abendländischen Werten zurückzukehren.

Wir haben aber auch vieles formell verändert und es gibt viele inhaltslose Formen – „forme f²r² fond“ – Titu Maiorescu hat diese Theorie formuliert. Es ist bedauerlich. Es gibt auch vieles, was sich nicht geändert hat. Und eines davon ist die Mentalität und das wird sehr lange dauern. Wir sind also nicht völlig integriert, denn die EU ist auch eine Union der Werte und nicht nur des gemeinsamen Marktes. Diese Werte werden hier verbalisiert, aber wenn es um die Einhaltung von Regeln geht, die eine Demokratie westlicher Art definieren, da hapert es manchmal und dementsprechend wird es vielleicht noch zehn Jahre geben, bis Rumänien völlig integriert ist.

Für die Bürger hat es natürlich vieles gebracht, von dem Stimmrecht bis zum Zugang zu einer demokratischen Gesellschaft basiert auf demokratische Institutionen. Man kann frei verreisen, die Grenzen sind offen, der Arbeitsmarkt ist völlig offen für rumänische Staatsbürger. Umgekehrt hat das auch der EU etwas gebracht, weil viele hochqualifizierte junge rumänische Arbeitskräfte wie Ärzte, IT-Ingenieure, auch Krankenschwestern und Arbeiter im Bauwesen oder in verschiedenen Dienstleistungsbereichen in die westlichen Staaten der EU gegangen sind, um dort besser zu verdienen.

Es gibt hierzulande noch vieles zu verändern. Das Bildungssystem ist katastrophal, das Gesundheitssystem, die Sozialsysteme, da gibt es noch sehr viel zu tun. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wir haben uns alle den EU-Beitritt gewünscht, aber wir sind allerdings noch lange nicht am Ziel. Es muss weiterhin konsequente Bemühungen geben und es müssen noch die Tendenzen bekämpft werden, die meinen, wir brauchen die EU nicht, wir wissen, was wir zu tun haben, bauchen keine Westeuropäer und so weiter und so fort. Das hat man auch im Wahlkampf gehört, aber diese Tendenzen dürfen hier nicht den politischen Vorrang haben.

Die EU ist das wichtigste Projekt der Europäer, um den Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand auf dem Kontinent zu sichern wie auch die Zukunft unseres Landes“.

Johann Fernbach, Vorsitzender DFDB:

„Allgemein und oberflächlich gesehen, ist es das visafreie Reisen nach Westeuropa, was uns der EU-Beitritt vor zehn Jahren gebracht hat. Im Grunde genommen ist es jedoch viel mehr: Neue Möglichkeiten für die Wirtschaft und den Handel, aber auch die Gewissheit, zum erlesenen Kreis der gestandenen europäischen Demokratien zu gehören. Dadurch wurden viele Aspekte auch hierzulande üblich, die in Westeuropa längst Tradition sind; viele Normen in der Gesetzgebung wurden übernommen oder an die rumänischen Gegebenheiten angepasst. Nicht zuletzt hat die Korruptionsbekämpfung auch auf Druck der EU einen Quantensprung gemacht. Für die deutsche Gemeinschaft kommen die intensiven Kontakte zu ihren Partnern und Freunden in den deutschsprachigen Ländern hinzu. Dies hat zu einem besseren Demokratieverständnis beigetragen.

Viel Geld ist im letzten Jahrzehnt aus dem EU-Haushalt in rumänische Autobahnen geflossen, aber auch in die Wirtschaft allgemein, ins Abfallmanagement und die Wasserbewirtschaftung sowie in Bildung und deren Studienprogramme. Das Lebensniveau ist ebenfalls gestiegen, auch wenn selbst ein rumänischer Durchschnittsverdiener mit seinem Einkommen weit unter dem EU-Mittelwert liegt.

Rumänien ist durch die Aufnahme in die EU glaubwürdiger geworden und das hat Vertrauen auch bei Investoren aller Art und aller Größenordnungen geschaffen. Der Zuzug von ausländischem Kapital bestätigt dies. Zu den Wermutstropfen gehören die in hohem Maße nicht abgerufenen EU-Fördermittel und die vielen, ins Ausland abgewanderten Fachleute der diversesten Bildungsstufen. Die deutsche Sprache hat sich als Vorteil für einen Arbeitsplatz im Ausland gezeigt. Aber nicht zuletzt: Das Deutsche steht mit seiner hier gepflegten Sprache sowie mit seinen Kultur- und Bildungsträgern auch als Alternative für eine Existenzgründung und ein sinnvolles Leben im Banat und in Rumänien“.

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